Fragen nach dem Wohnen zeichnen - anders als die nach der Heimat - ein genaueres Bild des Lebens von Menschen, die in ihrem Leben unter anderem migrierten: Wie verhält sich das Wohnen zu Gefühlen des Zuhause-Seins, zu neuen Nachbarschaften und deren Geschichten, zu der eignen Vergangenheit und wichtiger noch,...
Fragen nach dem Wohnen zeichnen - anders als die nach der Heimat - ein genaueres Bild des Lebens von Menschen, die in ihrem Leben unter anderem migrierten: Wie verhält sich das Wohnen zu Gefühlen des Zuhause-Seins, zu neuen Nachbarschaften und deren Geschichten, zu der eignen Vergangenheit und wichtiger noch, der Zukunft? Wie bestimmen materielle Ansprüche und melancholisch verinnerlichte Hoffnungen Wohnweisen und sozialräumliche Orientierungen? Auf welche Art und Weise wird über das Wohnen sozialer und physischer Raum eingenommen? Welche Vorstellungen eines guten Lebens werden realisiert? Die Analyse der Wohn- und Einrichtungsweisen russischsprachiger migrantischer Mittelschichten beleuchtet praktische und mentale Aneignung und Manipulation materieller Kulturen der Ankunftsgesellschaft und untersucht die Ausschlüsse und Rassismuserfahrungen, die diese oft als vorbildlich und unauffällig wahrgenommenen Menschen in der deutschen Migrationsgesellschaft erfahren. Ausgehend vom Wohnen werden bestehende Geschichten der Migration russischsprachiger Jüd
Was bedeutet es zu wohnen? Sich temporär oder dauerhaft einzurichten in einer Wohnung, in einer Straße, in einem Land? Wie verhält sich das Wohnen zu Gefühlen des Zuhause-Seins, zu Vorstellungen von Heimat und, wichtiger noch, von Zukunft? Diese Studie untersucht Wohn- und Einrichtungsweisen russischsprachiger migrantischer Mittelschichten und füllt dabei eine migrationspolitische Leerstelle einer Debatte, die Migrant_innen in Parallelwelten und ferne Heimaten verweist. Mit dem Aspekt des Wohnens nach der Migration eröffnet sich ein ergiebiges Untersuchungsfeld für die Migrationsforschung. Am Fall der oft als vorbildlich und unauffällig wahrgenommenen russischsprachigen Migrant_innen wird Migration als klassenspezifische Aushandlung von Hoffnung auf ein besseres Leben diskutiert.
Darja Klingenberg, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).
»Mit einem wachen Blick für Zwischentöne arbeitet Klingenberg die ambivalenten Positionen postsowjetischer Menschen in der bundesdeutschen Gegenwart heraus. […] Es wäre […] schon viel gewonnen, wenn migrantische Erfahrungen zukünftig stärker als situativ und fluide analysiert und Menschen nicht auf sie reduziert würden. Darja Klingenberg hat hierfür ein sehr überzeugendes Plädoyer geschrieben.« Hans-Christian Petersen, H-Soz-Kult, www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-118625, 13.02.2023