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Die Entstehung der grünen Politik

Die Entstehung der grünen Politik

Kultursoziologie der westdeutschen Umweltbewegung

vonPettenkofer, Andreas
Deutsch, Erscheinungstermin 10.09.2014
lieferbar

eBook

41,99 €
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Buch (broschiert)

46,00 €
(inkl. MwSt.)

Informationen zum Titel

978-3-593-41077-7
Frankfurt
10.09.2014
2014
1
1. Auflage
eBook
PDF mit digitalem Wasserzeichen
383
Frankfurt
Deutsch
Soziologie
Inhalt

Vorwort 8

I. Die Entstehung eines Protestfelds (1966-1973)

Einleitung 37

1. Außerparlamentarischer Protest und die Dynamik von Kirche und Sekte 39

1.1 Die Vorbereitung einer radikalen Gesellschaftskritik 39

1.2 Der lokale Kalte Krieg und das Modell der Guerilla 50

1.3 Gewalterfahrungen und die Synchronisation der Protestdynamiken 59

2. Der ›antiautoritäre‹ Diskurs und seine Spannungslinien 67

2.1 Das "Organisationsreferat" 67

2.2 Die Radikalisierung des Deutungsmusters 80

3. Die ›neue Linke‹ als Organisationsfeld und Konkurrenzordnung 98

3.1 Die erste Abweichung: Die ML-Organisationen 99

3.2 Die zweite Abweichung: Die ›Gewaltfreien Aktionsgruppen‹ 114

3.3 Die ›Undogmatischen‹ 123

3.4 Die Einheit des Protestfelds 124

II. Die Sakralisierung der politischen Ökologie (1974-1977)

Einleitung 135

4. Der Beginn des ›gewaltfreien‹ Protests gegen Atomkraft: Wyhl 136

4.1 Die Unwahrscheinlichkeit des ökologischen Protests 136

4.2 Die Sehnsucht nach der Volksbewegung 140

4.3 Der Wyhler Konflikt und der Wandel des Deutungsmusters 160

5. Der Beginn des ›militanten‹ Protests gegen Atomkraft: Brokdorf 175

5.1 Ansteckungskraft des Sakralen (1): Der neue Symbolstatus der Atomkraft 184

5.2 Logik der Sekte (1): Konkurrenzkämpfe im Protestfeld 188

5.3 Ansteckungskraft des Sakralen (2): Erfahrungen des gemeinsamen Protestierens 199

6. Die Entstehung einer Anti-AKW-Bewegung 207

6.1 Ansteckungskraft des Sakralen (3): Die negative Sakralisierung der Kerntechnik 209

6.2 Logik der Sekte (2): Die Polarisierung des Protestfelds 227

III. Die außerparlamentarische Verfestigung der grünen Politik (1978-1984)

Einleitung 237

7. Die Euphorie des Protests 239

7.1 Die erste Verschlechterung der Gelegenheiten 239

7.2 Die Kontinuität des ›gewaltfreien‹ Protests: Das Beispiel der Gorleben-Kampagne 247

7.3 Die Kontinuität des ›militanten‹ Protests: Das Beispiel der Großdemonstration bei Brokdorf, Februar 1981 266

7.4 Zwischenfazit: Konkurrierende Euphorien 278

7.5 Das Scheitern der rationalen Organisation (1): Der Niedergang der ML-Organisationen 281

8. Die Entstehung einer Katastrophenkosmologie 288

8.1 Der nukleare GAU als Paradigma 289

8.2 Technik und Krieg: Der Beginn der neuen Friedensbewegung 294

8.3 Zwischenfazit: Der Mechanismus der Generalisierung 300

8.4 Exkurs zur Wiederkehr des Protestdiskurses im Gewande seiner soziologischen Beschreibung 303

9. Protest als Beweishandlung 307

9.1 Die zweite Verschlechterung der Gelegenheiten 308

9.2 Das Scheitern der rationalen Organisation (2): Der Niedergang des BBU 313

9.3 Die Grenzerhaltung der ›Gewaltfreien Aktionsgruppen‹ 316

9.4 Die Fortsetzung des ›autonomen‹ Engagements 324

Fazit. 335

Nachbemerkungen zur Methode 350

Nachweise 358

Quellen und Literatur 360

Dreißig Jahre nach ihrer Gründung sind Die Grünen eine etablierte politische Kraft. Diese Situation erscheint uns heute selbstverständlich,
tatsächlich ist sie jedoch das Ergebnis eines ebenso unwahrscheinlichen wie einschneidenden Wandels in der politischen Kultur. Dieser ist
maßgeblich auf jene neue linke Bewegung zurückzuführen, die in den 1960er-Jahren in Gang kommt und zunächst als Studentenbewegung
prominent wird. Andreas Pettenkofer zeigt, wie und warum das »grüne« Deutungsmuster in den Protestbewegungen der alten Bundesrepublik schrittweise entstand und wie daraus die Gründung einer neuen Partei denkbar und durchführbar wurde. Er führt damit exemplarisch vor, welche Möglichkeiten die Untersuchung sozialer Bewegungen für die Erklärung kulturellen Wandels bietet.
Andreas Pettenkofer, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt.
Vorwort

Die Existenz einer ›grünen‹ politischen Option scheint heute selbstver-ständlich; wer andere Parteien wählt, hält es doch für normal, dass es auch grüne Parteien gibt. Dennoch bedeutet die Entstehung dieser grünen Politik einen tiefgreifenden, durchaus unwahrscheinlichen Wandel der politischen Kultur, für den eine plausible Erklärung immer noch aussteht. Das gilt gerade auch für den Fall der alten Bundesrepublik. Die Organisationsgeschichte der grünen Partei, einschließlich ihrer Gründungsgeschichte, ist zwar gut erforscht. Die Frage bleibt aber: Wie konnten sich eigentlich die kulturellen Voraussetzungen bilden, die dann auch die Gründung einer solchen Organisation sinnvoll und wertvoll erscheinen ließen? Wie kam es zu dem tieferen Einverständnis, das eine enge Kooperation zwischen Gruppen erlaubte, die untereinander höchst zerstritten schienen? Hier lohnt es sich, nochmals jene ›neulinke‹ Protestbewegung in den Blick zu nehmen, die in den 60er Jahren in Gang kommt und über die Mitte der 80er Jahre hinaus andauert; das ›grüne‹ Deutungsmuster wurde wesentlich durch die Eigendynamik dieser Protestbewegung hervorgebracht. Darum bietet die Untersuchung dieses Falls auch Gelegenheit, ein Set sozialer Mechanismen genauer zu begreifen, die auch in anderen Fällen einen kulturellen Wandel antreiben, mit dem so nicht zu rechnen gewesen wäre.

Denn das ›grüne‹ Muster unterscheidet sich deutlich vom Programm eines ›Naturschutzes‹ wie auch von der damals neuen sozialliberalen Um-weltpolitik . Der Unterschied liegt nicht bloß darin, dass das ›Grüne‹ nun zu einem eigenen Standpunkt aufgewertet wird, der eine neue politische Perspektive eröffnet. Die ganze Richtung der Aufmerksamkeit verschiebt sich gegenüber jenen älteren Politisierungen von ›Natur‹: Erstens konzen-triert sich die grüne Kritik zunächst auf einen anderen Gegenstand - nicht auf den Schutz von ›Natur‹ und nicht auf die im industriellen Normalbetrieb mitlaufenden, erst kumulativ wirksamen Schädigungen, sondern auf die Möglichkeit katastrophaler Schäden, zuallererst: auf die möglichen Nebenfolgen der (im älteren Naturschutz oft positiv bewerteten) AKW-Technik. Ein Teil des zu lösenden Rätsels lautet hier: Wie kann sich eine Partei stabilisieren, für die der Ausstieg aus der AKW-Technik die einzige nicht verhandelbare Frage darstellt? Zweitens bedeutet diese Art, den katastrophalen Schaden zum Modell zu erheben, nicht nur einen zugespitzten Hinweis auf ein technisches Einzelproblem. Sie bricht rhetorisch mit einem zentralen ›industriegesellschaftlichen‹ Legitimationsmuster, das drohende Schäden als kalkulierbar, durch Versicherungslösungen aufzufangen und letztlich im Namen kollektiv geteilter Ziele hinzunehmen begreift. (Ein Zeichen dafür, wie sehr das zeitgenössische Beobachter irritierte: Auch der Systemtheoretiker Luhmann beklagt nun, dass "die Bedingungen unterstellbaren Konsenses und kommunikativer Verständigung gesprengt werden". ) Drittens bleibt die ›grüne‹ Politik eben nicht auf die Themen Technik und ›Natur‹ begrenzt, sondern betreibt eine zuvor kaum denkbare Verknüpfung der Themen ›Technik‹, ›Krieg‹ und ›Geschlecht‹, die nun gemeinsam zu Gegenständen der Aufmerksamkeit werden; die Entstehung des grünen Deutungsmusters ist auch die Entstehung eines neuen Klassifikationsschemas politischer Probleme. Eine weitere Frage lautet also: Wie kommt es zu der Vorstellung, dass diese Themen eng zusammengehören?

Zugleich zeigt sich ein neuer Verlust an Aufmerksamkeit. Gut erkennen lässt sich das zunächst bei den heutigen Grünen-Wählern. Zwar ordnet sich dieses Politikmuster - abgesehen von einem kurzen Zwischenspiel in der Parteigründungsphase - eindeutig dem ›linken‹ Teil des politischen Spektrums zu. In Umfragen fällt aber auf, dass "gerade Sympathisanten der Grünen und des Postmaterialismus am wenigsten der Auffassung zustimmen können, dass das gesellschaftliche Fortkommen in erster Linie von Herkunft und Besitz abhängt". Gewiss führte die Partei in ihrer Oppositionsphase eine intensive sozialpolitische Debatte zur Frage einer Grundsicherung; während der rot-grünen Regierungszeit zwischen 1998 und 2005 bestand jedoch das einzige legislative Ergebnis dieser Debatte in der neuen "Grundsicherung für Arbeitsuchende" ("Hartz IV"). In der Partei selbst kann die Frage, welches Gewicht dem Problem wirtschaftlicher Ungleichheit zukommt, nun Gegenstand eines akzeptierten Dissens sein, der zur Flügelbildung beiträgt, aber nicht mehr die Zugehörigen von den Nichtzugehörigen trennt. Überzeugungen, die die Notwendigkeit sozialpolitischer Eingriffe betreffen, haben nicht, oder nicht mehr, den Status zentraler Werte; auch wenn viele der Beteiligten an ihnen festhalten, wissen sie zugleich, dass die Haltung zu dieser Frage nicht als entscheidend gilt. Wie lässt sich diese Verlagerung der Aufmerksamkeit erklären?

Einige Erklärungen, die im Prinzip denkbar wären, dürften hier weg-fallen: Zunächst lässt sich diese Entwicklung nicht einfach durch ein Dringlichwerden objektiv gegebener Probleme erklären und auch nicht einfach dadurch, dass über objektiv gegebene Probleme schließlich Infor-mationen verfügbar werden. Damit soll wohlgemerkt nicht gesagt sein, dass die ›grüne‹ Kritik nicht auf tatsächlich existierende Probleme reagiert oder aus anderen Gründen schlicht irrational ist. Aber der Ländervergleich zeigt, dass ›objektiv‹ ähnliche Umweltprobleme sich auf sehr unterschiedliche Weisen verstehen lassen. Entsprechend reicht für eine Erklärung auch nicht der (in Selbstbeschreibungen ökologischer Gruppen oft anzutreffende) Verweis auf lokale Erfahrungen von Betroffenen, die im Zuge eines ›Basis‹- oder ›Graswurzel‹-Engagements schrittweise Einsichten in die größere Reichweite der vor Ort erlebten Probleme gewinnen. Erstens müssen die Beteiligten aus ihren lokalen Problemwahrnehmungen - über den Wunsch hinaus, das lokale Problem zu beseitigen - überhaupt keine allgemeinen Schlüsse ziehen; zweitens stehen ihnen immer unterschiedliche Verallgemeinerungswege offen. In jedem Fall wäre - unabhängig davon, ob sich für die jeweiligen Sorgen gute Gründe benennen lassen - zu zeigen, wie es gerade zu dieser Aufmerksamkeit kommt, warum also gerade diese Probleme unter diesen Aspekten in den Blick der Kritiker geraten, und warum sie ihnen so wichtig werden.

Diese Aufmerksamkeit erklärt sich nie einfach daraus, dass moderne Gesellschaften insgesamt höhere Reflexivität produzieren. Zwar bestand in der frühen Debatte über "Risiko"-Konflikte ein entsprechender Grund-konsens zwischen konkurrierenden Theorieansätzen, der sich aus einem gemeinsamen modernisierungstheoretischen Erbe ergab: Die neuen Kon-flikte seien zu erklären durch einen Übergang zur ›reflexiven Moderne‹ bzw. durch eine sozialstrukturell angelegte Zunahme von ›Beobachtung zweiter Ordnung‹. Aber gegen diese Vorstellung, moderne Gesellschaften erzeugten an sich schon höhere Reflexivität, gilt weiterhin Max Webers alter Einwand: Ihrer Komplexität wegen gründen gerade moderne Ordnungen unvermeidlicherweise zunächst auf ›Einverständnis‹ - auf einem stillschweigenden Vertrauen in gegebene, in ihrem Funktionieren gar nicht verstandene Arrangements, verbunden mit der Vorstellung, man könnte sich das alles erklären lassen. Warum sich manchmal eine kritische Aufmerksamkeit auf das richtet, was zuvor Gegenstand eines solchen Einverständnisses war, bleibt jeweils zu erklären.

In diesem Buch wird der Versuch unternommen, das, was manchen Beobachtern als direktes Produkt sei es objektiver Problemlagen, sei es der Sozialstruktur moderner Gesellschaften erschien, stattdessen als Produkt eines spezifischen kulturellen Musters zu begreifen, das aus einer spezifischen Konfliktdynamik heraus entsteht. Dabei geht es nicht um ein global einheitliches Muster, das sich im Zuge eines transnationalen Diffusionsprozesses schrittweise durchsetzt. Zwar wurden im deutschen Fall etwa die technischen Einwände gegen das Atomprogramm großteils aus der US-Debatte übernommen. Aber sie wurden (wie sich noch genauer zeigen wird) nach Maßgabe eines lokalen Vorverständnisses angeeignet; erst diese Übersetzung - die spezifische Selektionen vollzieht und spezifische Verknüpfungen herstellt - verschafft diesen Einwänden ihre politische Wirkung. Für die Erklärung kommt es also wesentlich darauf an, wie dieses lokale Muster entsteht und sozialen Erfolg erlangt. Wobei es wiederum nicht genügt, auf eine allgemeine nationalspezifische kulturelle Ordnung (oder ›Mentalität‹) zu verweisen, etwa einen (unterstelltermaßen) spezifisch deutschen oder jedenfalls die deutsche Nachkriegsgesellschaft prägenden Sicherheitswunsch; schon deshalb nicht, weil damit nicht erklärt wäre, warum sich die Sorge gerade auf die ›grünen‹ Themen richtet.

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