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Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht

Die Biografie

vonSchneider, Christian
Deutsch, Erscheinungstermin 18.09.2019
lieferbar

Buch (gebunden)

22,95 €
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Nahaufnahme Sahra Wer ist Sahra Wagenknecht? Eine der beliebtesten und umstrittensten deutschen Politikerinnen, ein politischer Popstar, dauerpräsent in den Medien, eloquent in Talkshows und dennoch umgeben von einer Aura der Unnahbarkeit. Doch warum ist eine hochbegabte Theoretikerin und promovierte Volkswirtin,...

Informationen zum Titel

978-3-593-50986-0
Frankfurt
18.09.2019
2019
1
Buch (gebunden)
475 g
256
142 mm x 221 mm x 25 mm
Mit farbigem Bildteil, Lesebändchen
Deutsch
Biografien: Wirtschaft und Industrie, Politische Parteien und Plattformen
Eine Frau mit Widersprüchen 7 Auftakt mit Vogelgezwitscher 7 Wahlkampf 10 »Heilige« und »Stalins Cheerleader« ¿ wer ist Sahra Wagenknecht? 17 Aufwachsen im Osten 22 West-östlicher Diwan 22 Die Chinesin 32 Eine treue Freundin 39 Punks, Goethe und Marx ¿ eine Jugend unter Honecker 48 Der Untergang der DDR und die Folgen 57 Vom »Besserdenkenkönnen« der Welt zum politischen Handeln 57 Das Erbe der DDR 62 Marxismus und Opportunismus: gegen den Strom 69 Politsprech und der Sound von Weimar 71 Lichtgestalt und Leitbild: Peter Hacks 77 Wendezeiten 88 Wider den falschen Gang des Weltgeistes ¿ im Vorstand der PDS 94 Auf dem Weg zur Berufspolitikerin 107 Eine romantische Vorstellung 107 Widersprüche, Wirtschaft und die »wirkliche Welt« 113 Im Dialog 123 Im Westen viel Neues 135 Europaparlament 140 Politik als Beruf 146 Das richtige Leben im falschen? 152 Ein politisches Märchen 152 Zweigestirn am Polit-Himmel 157 Zurück nach Berlin 163 Hinter den Kulissen 169 Goethe und die Lust, eine andere zu sein 178 Ehrgeiz 185 Bücher machen Leute: Kapitalismuskritik und Gesellschaftsutopie 190 Übersetzerin mit hellseherischen Fähigkeiten 190 Sozialistin mit kreativem Potenzial 196 Demokratieretterin mit konkreter Vision 202 Linke Politik heute 210 Im Kreuzfeuer der Partei 210 Aufstehen? 217 Die Revolution frisst ihre Kinder 224 Ein alter linker Traum ¿ wie weiter? 235 Anmerkungen 245
Nahaufnahme Sahra Wer ist Sahra Wagenknecht? Eine der beliebtesten und umstrittensten deutschen Politikerinnen, ein politischer Popstar, dauerpräsent in den Medien, eloquent in Talkshows und dennoch umgeben von einer Aura der Unnahbarkeit. Doch warum ist eine hochbegabte Theoretikerin und promovierte Volkswirtin, die sich selbst das Lesen beigebracht und Goethe und die klassischen Philosophen für sich erobert hat, eigentlich Politikerin geworden? Biograf Christian Schneider hat sich in intensiven Gesprächen mit ihr und ihren Weggefährten ein Bild gemacht. Sie hat ihm Zugang zum engsten Kreis gewährt und Gespräche mit ihrer Mutter, einer Freundin aus Kindertagen und Oskar Lafontaine ermöglicht. - Ein vielschichtiger Blick auf eine der spannendsten Persönlichkeiten des Landes. - Näher werden Sie Sahra Wagenknecht nicht kommen!
Christian Schneider, Dr. phil. habil., Sozialpsychologe und Führungskräftecoach, gilt als Begründer der Disziplin »psychoanalytische Generationengeschichte«. Er lehrte als Privatdozent an der Universität Kassel und hat seit 2001 eine Praxis für psychoanalytisches Coaching. Der Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu psychoanalytischer Kulturtheorie und vieler Porträts von Politikerinnen und Politikern lebt in Frankfurt am Main.
Eine Frau mit Widersprüchen
Auftakt mit Vogelgezwitscher
In der Ecke des Zimmers, das auf die Terrasse führt, steht neben einem Bücherregal ein kleiner roter Mann. Einige der hier eingestellten Werke kenne ich. Gleich werde ich mit ihrer Autorin sprechen. Sie ist draußen dabei, den Tisch zu richten. Die Vögel zwitschern atemberaubend laut, es ist Sommer.
Der kleine, gerade mal einen Meter große rote Mann, der die Bücher bewacht, ist Karl Marx: die bekannte Skulptur von Ottmar Hörl. Ein Geschenk von Freunden, sagt Sahra Wagenknecht, die mittlerweile in der Küche steht, um den Darjeeling aufzugießen. Am Fenster lehnt das gerahmte Foto eines anderen Bekannten: Che Guevara. Nein, nicht das berühmte Demo-Poster mit dem entschlossen-visionären Gesichtsausdruck des Revolutionärs. Das Küchenbild zeigt einen eher gemütlichen, ja, etwas dicklichen Mann mit einem freundlichen Lächeln, das so gar nicht nach Guerillakampf und Revolution aussieht. Auf meinen ironischen Kommentar erwidert Sahra Wagenknecht, genau das möge sie. Hier wirke der Held der 68er einfach so menschlich. Gerade wegen des Lächelns. Auch dieses Foto sei ein Geschenk von Freunden.
Für einen Moment laufen Szenen durch meinen Kopf, in denen Freunde Karl und Che wie Pralinenpackungen als Gastgeschenke ins Haus bringen. Wo bin ich hier? Schließlich ist seit 1968 ein halbes Jahrhundert vergangen. Damals war Sahra Wagenknecht noch nicht geboren und ihr Mann, Oskar Lafontaine, der Besitzer des Hauses in dem kleinen Dorf Silwingen dicht an der französischen Grenze, noch ein ordentlicher Sozialdemokrat. Treffe ich etwa eine nostalgische Altlinke?
Hält man sich an das, was in den Medien über sie verbreitet wird, ergibt sich kein klares Bild. Und mein persönlicher Kontakt mit Sahra Wagenknecht besteht bislang aus einem 90-minütigen Gespräch, das ich mit ihr 2014 für ein Porträt in der tageszeitung geführt hatte. Ich erinnere noch gut das Gefühl, auf eine außergewöhnlich facettenreiche Frau zu treffen, die sich in den üblichen Netzen des Journalismus nicht fangen lässt.
Wir gehen auf die Terrasse. Das Vogelgeschrei schafft eine Art Grundtaubheit in den Ohren. Ich baue das Mikrofon auf. Eine graue Katze schleicht geschmeidig und scheu an mir vorüber. Gibt es Futter? Meistens, denn wenn Sahra Wagenknecht zu Hause ist, stellt sie etwas für das streunende Tier ins Freie, das regelmäßig vorbeischaut – und macht sich Sorgen, ob vielleicht wieder einmal der viel kräftigere Kater aufkreuzt und die kleine Kostgängerin wegbeißt. Sich um Dinge zu kümmern, die für viele Inbegriff des Nebensächlichen wären, ist ihr ein Bedürfnis. Tiere gehören dazu.
'Sie müssen mir Fragen stellen', hatte Sahra Wagenknecht vor unserem Treffen gesagt. Ich ahne, dass es selbst für einen Medienprofi wie sie nicht leicht ist, über das eigene Leben Auskunft zu geben. Zumal es sich nicht um ein Zeitungsporträt von einer oder zwei Seiten handelt. Aber sie beginnt mutig, mit der klaren, disziplinierten Sprache, für die sie bekannt ist, zu erzählen. Über lange Strecken wird es dann doch ein Monolog.
Als sie über ihre Kindheit spricht, fällt mir auf, wie jung sie hier im heimischen Umfeld, lässig in Jeans und roter Bluse im strahlenden Sommerlicht, wirkt – und plötzlich packt mich ein Schrecken: Kann man denn die Lebensgeschichte einer noch nicht einmal 50-Jährigen in Buchform niederschreiben? 'Biografie' heißt ja im Wortsinn: Beschreibung eines Lebens, das heißt in aller Regel eines gelebten Lebens, von seinem Ende aus betrachtet. Sportler und Schlager-Sternchen mögen da eine Ausnahme bilden. Sie haben tatsächlich oft genug das Leben, das andere interessieren könnte, schon in jungen Jahren abgeschlossen. Aber Politiker?
Und halt, stopp mal! Ist Sahra Wagenknecht wirklich eine Politikerin? Beziehungsweise ist sie nur eine Politikerin? Es gibt nicht wenige intelligente Leute, die sie als scharf analysierende, sozialwissenschaftlich und ökonomisch argumentierende Theoretikerin wahrnehmen. Als Intellektuelle, deren hauptsächliche Fähigkeit darin liegt, kluge Bücher zu schreiben. Manche sehen sie als Philosophin. Andere warten seit Jahren auf ihr abschließendes Werk zu Goethe. Und selbst das Wort vom Popstar taucht bei ihrer öffentlichen Beurteilung immer wieder auf. So viele verschiedene Meinungen und Erwartungen – das deutet für mich auf eine Vielfalt von Begabungen und Möglichkeiten hin, die weit über das hinausgeht, was ein 'normales' Leben bereithält.
Sahra Wagenknecht erzählt gerade von ihren frühen Erfahrungen in der Schule, als mir aus dem nachmittäglichen Himmel die Einsicht zufliegt, dass eine Biografie von ihr neben der Bestandsaufnahme des Geschehenen eine Geschichte der Möglichkeiten sein muss. Und eine der Widersprüche. Sicherlich, es gilt aufzuzeichnen, was sich in ihrem Leben ereignet hat. Das, was sie manchmal wie beiläufig erzählt, auf seine Bedeutung hin zu befragen. Dazu die Stimmen von Weggefährten zu hören. Aber im Grunde, das wird mir im schallenden Singsang der deutsch-französischen Vogelschar deutlich, wird die Herausforderung wohl sein, sich einer Frau zu nähern, die wie kaum eine Zweite in der deutschen Politik fasziniert und polarisiert, verehrt und abgelehnt wird. Und dabei derart rätselhaft bleibt.
Was heißt: Ihrem Biografen kommt die Aufgabe zu, im Licht der Spuren und Narben ihrer Vergangenheit ihre Gegenwart zu betrachten. Und ihre bisherige Geschichte auf die Möglichkeiten ihrer Zukunft zu projizieren. Mit dem üblichen Risiko. Niemand weiß, was morgen sein wird. Am wenigsten bei Personen, deren Charakter durch eine so verwirrende Vielstimmigkeit der Lebenspartitur bestimmt wird wie bei Sahra Wagenknecht.
'Gehen wir rein?', fragt sie nach vielen Stunden Gespräch. Eigentlich ist sie krank, und sie hat sich auf das Interview nur eingelassen, weil schon der erste Termin aus Krankheitsgründen geplatzt ist. Als wir den Sonnenplatz mit Blick auf die sommerliche Landschaft verlassen, habe ich das Gefühl, dass ich den kleinen Marx nun irgendwie anders sehe. Bewacht er wirklich das Bücherregal? Oder die Autorin?
Wahlkampf
Heißer Herbst 2018 in Deutschland. Es brennt an allen Ecken und Enden. Buchstäblich ein ganzes Moor nach einem Bundeswehrmanöver. Andere Brandstellen lodern ohne sichtbare Flammen. Tausende Aktivisten besetzen einen Wald, um dessen Rodung zu verhindern, die den Weg zu neuem Braunkohleabbau freimachen soll. Millionen Autofahrer, die das Pech haben, ein Dieselfahrzeug zu besitzen, wissen nicht, ob sie demnächst noch durch ihren Wohnort fahren dürfen. Klar ist nur: Die Autoindustrie hat mit gefälschten Abgaswerten getäuscht und betrogen, und die Politik geht vor ihr in die Knie.
Die Stimmung ist gereizt. Nicht bloß in der Bevölkerung, sondern auch bei den Volksvertretern. In der regierenden Großen Koalition herrscht offener Krach zwischen den Unionsvorsitzenden Merkel und Seehofer. Das Versagen der SPD bei einer Reihe von fatalen Entscheidungen ist offensichtlich.
Heute ist die 'Causa Maaßen', die Absetzung des Verfassungsschutz-­Chefs nach einem schweren Lapsus und seine zwischenzeitliche Beförderung, Schnee von gestern. In diesem heißen Herbst aber provoziert der Skandal die Frage, ob Deutschland überhaupt noch eine funktionierende Regierung hat. Und wenn ja: wie lange noch? Gerade wegen der scharfen Kontroversen zwischen den beiden Parteien mit dem christlichen 'C' im Namen werden die kommenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern mit Spannung erwartet. In Bayern steht die CSU vor dem größten Stimm- und Machtverlust seit ihrer Gründung. Der Wahlkampf wird mit harten Bandagen geführt. Zumal durch die Verschiebungen innerhalb der Parteienlandschaft die kleineren Parteien neues Gewicht gewonnen haben.
Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, der Medien­star und das bekannteste Gesicht ihrer Partei, arbeitet in diesem Wahlkampf als Rednerin die Marktplätze und Säle dieser beiden Bundesländer ab. Meist bestreitet sie zwei Auftritte pro Tag. Morgen wird es der landsmannschaftliche Spagat zwischen dem bayrischen Aschaffenburg und der hessischen Metropole Frankfurt sein. Heute ist Fulda an der Reihe.
Es ist einer der letzten warmen Tage des Jahres. Die Menschen, die sich auf dem Universitätsplatz einfinden, um Sahra Wagenknecht zu hören, sind leicht bekleidet. Direkt links neben der aufgebauten Bühne der Linken bietet ein Café Sitzplätze an. Ich bin früh genug zur Stelle, um mir einen Stuhl zu sichern. An meinem Tisch sitzt ein Paar, beide Mitte 70, beide braun gebrannt, die Frau gertenschlank – und mit Hotpants bekleidet. Ein klassisches Kleidungsstück der 70er-Jahre. Das Gros der Besucher gehört der Generation 65 plus an. Früher hätte man sie Rentner genannt. Viele von ihnen tragen, wie meine Tischnachbarn, jugendliche Outfits. Jeans, die Arme teilweise mit Tattoos versehen, lässig, langhaarig, auch wenn die einstige Hauptpracht meist dünn, weiß und spärlich geworden ist: Es ist die Generation des linken Aufbruchs von ’68. Dazu eine Minderheit von jungen Leuten. Anders als bei den Alten dominiert bei ihnen kein Look. Auffällig allerdings, dass so gut wie keine 'ausländischen Mitbürger' auf dem Platz sind. Und: das Fehlen der demografischen Mitte. Die Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen ist hier unterrepräsentiert.
Es sind etwa 300 Leute, die den Universitätsplatz bevölkern und auf den Beginn der Veranstaltung warten. So erfahre ich es von einem der diensthabenden Polizisten, zu deren Aufgaben nicht nur die Gewährleistung der Sicherheit gehört, sondern auch, die Zahl der Besucher fürs Protokoll abzuschätzen. Er läuft durch die Reihen, spricht ab und zu jemanden an, lächelt, bekommt freundliches Feedback: eine 'Staatsgewalt', die zu der Zeit, als die fitten Rentner von heute ihren Protest gegen die als defizitär empfundene Nachkriegsdemokratie auf die Straßen trugen, so nicht denkbar war. Ein bisschen wirkt es wie auf dem Dorfe, in dem jeder jeden kennt.
Die Versammelten hören geduldig den ersten Rednern zu, dem Landesvorsitzenden Jan Schalauske und dem Direktkandidaten der Linkspartei in diesem Wahlkreis. Rechts und links der Bühne stehen zwei Menschen, die eine Armbinde als 'Ordner' ausweist. Ein unauffälliger Mann unbestimmbaren Alters und eine junge Frau, die optisch präsentiert, was Die Linke wohl sein will: keine Rentnerpartei, sondern – auch – die der jungen Leute. Sie trägt Jeans und Sneakers, darüber ein dunkles Shirt, das die linke Schulter freigibt und einen Blick auf den Träger ihres schwarzen Unterhemdes erlaubt. In die roten Haare geschoben eine Sonnenbrille. Während der Rede des linken Spitzenkandidaten klatscht die Ordnerin immer wieder kräftig und lächelt auffordernd ins Publikum; sie bewegt sich dabei fast tänzerisch, so, als sei sie bei einem Pop-Konzert. Das Publi­kum braucht die auffordernden Gesten nicht. Wann immer die einschlägigen Parolen fallen, gibt es zustimmenden Beifall. Etwa, wenn es um das Reichtumsgefälle im Land, das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft, die Fragen von Mieten, Renten und Pflege geht. Aber es ist spürbar: Alle warten. Irgendwann tritt einer der Organisatoren der Veranstaltung zum Redner und flüstert ihm etwas zu. Jedem ist klar, was das bedeutet: Er soll zum Schluss kommen, der Haupt-Act ist eingetroffen. Es ist ziemlich genau 17:00 Uhr, eine halbe Stunde nach Beginn der Veranstaltung. Kurz darauf bricht der Redner ab mit der Aufforderung, doch bitte Die Linke im Oktober zu wählen, und die frohe Botschaft wird verkündet: 'Sie ist da!'
Direkt vor der Bühne ist mir ein Mann aufgefallen. Offenbar ein 'Bürger mit Migrationshintergrund', ich tippe auf einen Syrer, an seiner Seite eines der wenigen Kinder, die sich auf dem Platz langweilen. Er hält einen Strauß roter Rosen in der Hand und wirkt ein bisschen nervös.
Und dann kommt sie. Sonnengebräunt, in einem ihrer typischen Kostüme, die so seltsam zeitlos wirken. Ebenso wie die Frisur, die Kette, die Ohrringe. Nichts an Sahra Wagenknecht weist sie optisch als Linke aus. Sie entspricht keinem der üblichen Klischees. Ohne Weiteres könnte man sie für die Vorstandschefin eines DAX-Unternehmens halten. Nicht ohne Ironie, dass zu Beginn ihres Auftritts ein Fenster der rechts vom Podium gelegenen Filiale der Deutschen Bank aufgeht und ein paar Mitarbeiter interessiert Wagenknechts Performance verfolgen. Am warmen Begrüßungsapplaus der Fuldaer beteiligen sie sich freilich nicht.
Auf dem Platz ist die Zeit der erhobenen Arme angebrochen: die Batterie hochgereckter Handys für die private Fotodokumentation. Während dieser Ouvertüre eilt der Rosenkavalier nach vorne und übergibt dem Star der Veranstaltung den cellofanumhüllten Strauß. Es bleibt unklar, wa­rum. Unklar auch, ob es eine bestellte, gestellte Szene ist oder die spontane Handlung eines Fans. Sahra Wagenknecht jedenfalls ist überrascht. Sie freut sich, bedankt sich, erst beim Überbringer der Blumen persönlich, dann via Mikrofon, und legt den Strauß nach einem kleinen Zögern auf das Pult, das ihren Vorrednern als Ablage für ihr Vortragsmanuskript gedient hatte. Sahra Wagenknecht benötigt es nicht. Sie wird – wie immer bei solchen Auftritten – frei reden. Und – nein, nicht genau 30 Minuten. Sondern 31. Der Dank verzögert den Zeitplan.
Sahra Wagenknecht spricht so, wie man es von ihr kennt. Nicht nur ohne Manuskript, sondern auch ohne Fehler, Stocken, Versprecher oder falsche Betonungen. Doch, ein Lapsus ist dabei: 'logal' statt 'legal' – sofort korrigiert. Jeder, der schon einmal eine Rede, ein Referat, einen Vortrag oder eine Vorlesung gehalten hat, weiß, wie anfällig diese Situation für Fehler ist. Es ist faktisch so gut wie unmöglich, bei einer Redezeit von 30 Minuten fehlerfrei durchzukommen. Klar, wir hören hier eine einstudierte, mit kleinen Variationen mehrmals gehaltene Rede. Und doch ist die Präzision ihres Vortrags überraschend. Ebenso wie das erstaunliche Vortragstempo. Sahra Wagenknecht verpasst es fast systematisch, an dem Punkt innezuhalten, an dem ihre Rede den Beifall hervorlockt. Sie redet über den Beifall hinweg. Jeder Rhetor, jeder Populist zumal, der es darauf anlegt, eine aufgeheizte Stimmung im Publikum zu schaffen, würde ein anderes Timing wählen und den aufkommenden Beifall in die Sprechpausen hinein explodieren lassen.
Nicht so Sahra Wagenknecht. Sie spricht Punkte an, die offenbar die Gefühle ihres Publikums treffen. Aber sie erlaubt sich nicht die Atempause, die allein dem Beifall gewidmet sein sollte. Sie ist schnell. Ein Rhetoriktrainer würde sagen: zu schnell. Stopp, lass Raum für die Aktivität der Zuhörer! Denn der Applaus ist ihr Beitrag, er muss sich entfalten dürfen. Wenn deine Worte zwischenzeitlich in ihm untergehen und das Ende deiner Sätze schon wieder in die Stille fällt, ist ein wesentlicher Effekt verfehlt.
Dabei spricht Sahra Wagenknecht nicht nur fehlerlos, sondern gut: pointiert, nicht agitatorisch, sondern zur Sache. Sie hat eine Botschaft, die ihr wichtig ist. Und offenbar wichtiger als der rhetorische Effekt. Ist es nur der Termindruck – wenige Stunden nach dieser Veranstaltung steht eine Lesung in Erfurt auf dem Programm –, der sie dazu bringt, die Chancen einer emotionalen Steigerung ihres Auftritts und damit ihrer persönlichen Präsenz und Wirkung zu verschenken? Wohl kaum. Und auch ihre Liebe zur gedanklichen Präzision kann es nicht hinreichend erklären. Was aber ist es dann? Mir fällt ein, dass diejenigen, die Sahra Wagenknecht gut und lange kennen, immer wieder davon gesprochen haben, sie sei ein grundschüchterner Mensch. Was niemand glauben mag, der sie als routiniert durch die Medien surfenden Politprofi wahrnimmt, für den Auftritte der unterschiedlichsten Art alltäglich sind. Oder doch …?
»Ein außergewöhnlich tiefes Porträt einer ganz und gar außergewöhnlichen Frau.« taz FUTURZWEI, 12.09.2019

»In ihrer Biografie gibt Sahra Wagenknecht ungewohnt tiefe Einblicke in ihre Person und auch in ihr privates Umfeld.« MDR aktuell, 14.09.2019

»[Schneider] gelingt es, in gut lesbarem Stil teils überraschende Einblicke in [Sahra Wagenknechts] Werdegang zu geben, bei denen er private Entwicklungsschritte – bis hin zur Liebesbeziehung mit ihrem Geistesverwandten Oskar Lafontaine – mit der politischen Karriere und der wissenschaftlichen Denk-Arbeit geschickt verbindet.« Stephan Hebel, Frankfurter Rundschau, 12.11.2019

»Sehr offen und sehr ehrlich!« Kim Fisher, MDR Riverboat, 29.11.2019

»Ein einfühlsames Porträt, informativ, wunderbar komponiert, ausgezeichnet geschrieben. Empfehlenswert!« Angelika Beyreuther, fachbuchjournal, April 2020
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