Marlen Haushofer hat ihren Roman Himmel, der nirgendwo endet als Autobiographie ihrer Kindheit bezeichnet. Unsentimental, trotzdem einfühlsam und phantasievoll erzählt sie dicht ineinander verwobene Ereignisse und Eindrücke, eigene und erfundene Erinnerungen aus jenem Reich, dem Reich der Kindheit, dessen Himmel...
Marlen Haushofer hat ihren Roman Himmel, der nirgendwo endet als Autobiographie ihrer Kindheit bezeichnet. Unsentimental, trotzdem einfühlsam und phantasievoll erzählt sie dicht ineinander verwobene Ereignisse und Eindrücke, eigene und erfundene Erinnerungen aus jenem Reich, dem Reich der Kindheit, dessen Himmel nirgendwo endet. Sie beschreibt die entscheidenden Jahre, die das heranwachsende Mädchen prägen, in denen die ganze Welt auf Meta einstürmt und sich als großes Durcheinander offenbart, das sie in Ordnung bringen muss: "Steinchen für Steinchen setzt sie zusammen, aber selten wird etwas Rundes daraus..." Aus der kindlich-neugierigen Perspektive stellt der Roman philosophische Fragen und regt dazu an, uns wieder auf das große Durcheinander einzulassen. "In Himmel, der nirgendwo endet wird die kleine und unendliche, in den meisten Menschen verschüttete Welt der Kindheit zauberhaft eingefangen." Neue Zürcher Zeitung
Bronislava von Podewils wurde 1970 geboren und studierte von 1997 bis 2002 bei Professore Guiseppe La Bruna und Professore Franco Franchi Bildhauerei an der Accademia di Belle Arti di Carrara in der Toskana. 2002 erhielt sie ihr Diplom. Nach ihrem Aufbaustudium bei Professor Stephan Balkenhol an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, machte sie sich 2007 ebenda mit ihrem Atelier von Podewils selbstständig. Sie nahm an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teil. 2023 schuf sie eine Büste von Erna Scheffler, der ersten Richterin des Bundesverfassungsgerichts, die an deren Wohnort, auf dem Alten Friedhof von Wolfartsweier bei Karlsruhe, einen Ehrenplatz erhalten hat.
Schon ist sie in ihrem Zimmer, drückt die Tür hinter sich zu, und gleich darauf liegt sie auf dem Bettvorleger und liest im ›David Copperfield‹. Meta vergißt, was geschehen ist, und das Buchstabenmeer schlägt rauschend über ihr zusammen. Ihr Herz schlägt jetzt im kleinen David, und ihre Hand schiebt seine schwarzen Locken aus der Stirn. Lange Zeit später ruft Mama zum Abendessen. Das Zwitterwesen David-Meta wird grausam auseinandergerissen. David erstarrt zu einem flachen Bildchen, und eine verwirrte, rotwangige Meta stolpert benommen die Stiege hinunter. Eben war sie mitten in einem Gespräch mit Mister Dick, und jetzt muß sie sich zu einem lächerlichen Eierschmarrn begeben. Das Leben ist ein schreckliches Durcheinander. Man sollte sie nicht immer so plötzlich von David trennen. Eines Tages wird sie zwischen den Buchdeckeln bleiben, und eine leere Hülle wird am Tisch sitzen. Möglicherweise wird kein Mensch es bemerken. Dieser Gedanke ist beängstigend. Erst als sie mit der großen Zehe gegen die Türschwelle stößt, kommt sie schmerzhaft zu sich. Natürlich blutet die Zehe wieder. Sie ist einfach zu lang und dem übrigen Fuß immer ein Stückchen voraus. Aber da Meta diese Zehe von Vater geerbt hat, ist sie geneigt, dieses Übel mit Stolz zu betrachten. Bei Nandi ist die zweite Zehe länger, genau wie bei Mama. Vater hat Meta getröstet und behauptet, daß nur sehr vornehme Menschen so lange Zehen besitzen. Mama und Nandi sind offenbar nicht so vornehm. Dafür können sie nichts, aber man darf sich ruhig ein bißchen erhaben fühlen. Runde Patschfüße kann jeder haben, ein langer, schmaler Fuß hingegen ist wahrscheinlich der geheime Wunschtraum aller Menschen. Sie geben es nur nicht zu. Mama zum Beispiel gäbe ja überhaupt nie etwas zu. Alles hat eine geheime Bedeutung, und wenn man sie erkennen könnte, wäre man weise. »Du hast spitze Knie«, sagt Mama, »wirst wohl nie einen Mann bekommen.« Sie hat natürlich runde Knie. Vater sagt: »Mit spitzen Knien kann man besser laufen.« Das ist entschieden wichtiger. Meta will nicht kochen und nähen, also braucht sie auch keinen Mann. Aber ein kleiner Stachel bleibt doch zurück. Mama sagt manchmal Dinge, die weh tun. Meta muß sich unaufhörlich wappnen dagegen. So tut sie, als mache sie sich nichts daraus, aber sie kann sich nie an Mamas spitze Zunge gewöhnen.